Ein Tag am See
           Oder: Der Versuch etwas sozialkritisches zu schreiben
        Ein Hund bellt. Und es ist Zeit mal wieder zu schreiben. 
          Ich fürchte es ist längst Zeit zu schreiben. Ich glaube ich 
          probiere heute mal einen anderen Stil. Wenn es überhaupt eine Stilfrage 
          ist.
        Das große Bild: Hier ist vorgezogene Wahl, über 
          dem großen Teich versaut die Bush-Administration gerade das "New 
          Orleans Hurricane-Desaster". 
          Das kleine Bild: Ein Hund bellt, die Sonne brennt, Kindergeschrei, ich 
          schwitze und habe Beziehungsprobleme (wenn man das so nennen darf).
          Eine Band gibt es de facto nicht, ich bin auf dem besten Weg in eine 
          Krise. Wie komischerweise anscheinend alle heutzutage.
          Ich schreibe lieber TODO- und Einkaufslisten als Prosa oder Songtexte. 
          Eigentlich bedeutet so was, dass es mir gut geht. Komischerweise verfasse 
          ich gerade einen Gedankensprung, es ist also möglich, dass ich 
          etwas bemerkt habe. Irgendetwas stimmt also nicht. Vielleicht liegt 
          es daran, dass ich vor kurzem meine alleinige Wohnung aufgegeben habe. 
          Ich traue mich wetten, dass es das ist. Irgendwie ein neuer Lebensabschnitt, 
          mit jemandem zusammenziehen, die "Alleinständigkeit" 
          aufgeben. Doch scheint es, dass ein neuer Lebensabschnitt bei mir generell 
          mit Furcht und Depression einhergeht. Gezwungen wurde ich nicht! Aber 
          doch kommt es mir manchmal so vor. Scheint eine "Engelchen-Bengelchen"-Geschichte 
          zu sein. Oder vielleicht besser: "guter Bulle, böser Bulle".
        Vielleicht, vielleicht
 vielleicht ist "vielleicht" 
          mein Problem.
          Am liebsten keine konkrete Aussage treffen müssen. "Vielleicht" 
          - zusammengesetzt aus "viel" und "leicht". Vielleicht 
          ist gar nicht so leicht wie es scheint. Auf den ersten Blick enthebt 
          es einen aus dem Entscheidungsproblem, aber genauer betrachtet wird 
          viel eher schwer. Mir fällt es schwer nicht zu oft einfach "vielleicht" 
          zu sagen.
          Vielleicht ist "Vielleicht" ein generelles Gesellschaftsproblem.
          Eine Abhandlung darüber möchte ich uns ersparen, findet sich 
          doch fast immer eine Transfermöglichkeit von Mikro-Problemen auf 
          die Makro-Ebene. Nicht überzeugt? Nein?! Ich habe ein Beispiel 
          parat, bin aber zu faul es niederzuschreiben. Nur so viel: Es fängt 
          bei Titten an und hört beim Rentenproblem des aktuellen Sozialstaats 
          auf.
        Es tut gut zu schreiben!
        Verdammt! Ich hoffe neben mir liegt nicht mein Ego in 
          10 Jahren. Ich habe sie nicht gebeten sich direkt neben mich zu legen, 
          aber jetzt bin ich Zeuge von:
        Er: stöhnt genervt
          Sie: "Was ist?"
          Er: "Nichts!"
        Fuck! Das kommt davon wenn man an so nem Tag am See 
          liegt. Es hätten sich auch die zwei jungen Dinger mit den Riesenmöpsen 
          direkt neben mich legen und sich über ihre sexuellen Phantasien 
          unterhalten können. Naja, jetzt halten sie wenigstens das Maul. 
          Das (Ehe?)-Paar. Dafür nervt der kleine Sohn mit seinem Bagger.
          Die Blondine reibt sich weit entfernt mit Sonnenmilch ein und Papa antwortet 
          genervt den dümmlichen Fragen seiner Angetrauten.
          Ich liebe es! Treffender kann die Situation nicht passend gemacht werden, 
          welche zu meiner Lage passte. Was für ein Satz
 Völlig 
          schwachsinnig aber mit der gewissen Ironie, kein gutes Deutsch, dafür 
          auch keine Inhalte. Das muss an dem knappen Bikini der brünetten 
          Freundin von Blondie liegen, der für ihre Riesendinger einfach 
          zu klein ist. Das sehe, bzw. erahne ich sogar aus dieser Entfernung. 
          Vielleicht wünsche ich es mir auch nur.
          Das gute Deutsch kehrt augenblicklich zurück als der kleine Bengel, 
          der den Macker seiner Mutti mit Vornamen anspricht, seinen nackten Hintern 
          präsentierend keinen Meter von mir entfernt in die Wiese pinkelt.
          Ich bin das Problem.
          Anstatt aufzustehen und Thomas, so der Name des Wildpinklers, und seine 
          Erzeuger (zumindest sie scheint Anteil an dem Kleinkriminellen zu haben) 
          alleine zu lassen und mich zu den Mädels mit den Möpsen zu 
          legen, bleibe ich hier und jammere rum. Der Sprung ins sozialkritische 
          kommt gleich, er passt mittlerweile einfach zu gut.
        Es ist eine Stunde später, ich bin durch den See 
          geschwommen, das sozialkritische lässt immer noch auf sich warten, 
          die Mädels spielen Karten, Thomas wurde nach Hause gebracht und 
          seitdem nimmt ein gleichaltriger namenloser "Top-Athlet" mit 
          rosa Fußball seinen Platz ein. Begrüßt hat er mich 
          schon. Volle Breitseite hat der rosa Ball an meiner rechten Schädelhälfte 
          eingeschlagen. Der Opa vom Namenlosen hat ein paar psalmenähnliche 
          Floskeln dazu preisgegeben und das Barbie-Sportgerät von mir entfernt. 
          Ich hoffe er wird schwul, der Kleine. Verdient hättens die Eltern.
          Durch das Schwimmen im eiskalten See hat sich wohl auch mein Gemüt 
          abgekühlt. Ich spare mir den sozialkritisch-tiefpolitischen Tittendiskurs 
          fürs nächste Mal auf und beschließe mich noch etwas 
          in die langsam immer weniger stark brennende Sonne zu legen und mein 
          Leben zu genießen.
        Vielleicht - da ist es wieder dieses verwunderliche, 
          nichtssagende Wort - vielleicht geht es mir ja doch nicht so schlecht. 
          Auf alle Fälle besser als dem genervten Aushilfs(?)-Papa von Thomas.
        
        © 2005, Ian Kaye